Die Beratungsvergütung - Abrechnung und Anrechnung

Der Rechtsanwalt soll gem. § 34 RVG eine Gebührenvereinbarung für einen mündlich oder schriftlich erteilten Rat mit seinem Mandanten vereinbaren. Der Rechtsanwalt soll sein Honorar für die Beratung also grundsätzlich frei aushandeln. Ist der Auftraggeber jedoch Verbraucher, beträgt die Gebühr für die Beratung oder für die Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens gem. § 34 RVG jeweils höchstens 250 Euro; § 14 Abs. 1 gilt entsprechend; für ein erstes Beratungsgespräch beträgt die Gebühr jedoch höchstens 190 Euro.

 

Also: Der Rechtsanwalt, der keine Gebührenvereinbarung über die Beratung/Auskunft mit seinem Verbraucher-Mandanten getroffen hat, darf gem. § 34 Abs. 1 Satz 3 RVG nicht mehr als 190 EUR für eine Erstberatung und nicht mehr als 250 EUR für den gesamten Beratungsauftrag berechnen. Ist der Mandant kein Verbraucher, gibt es keine Obergrenze zu beachten.

 

Neben der genannten "Beratungsgebühr" bzw. "Beratungsvergütung" kann der Rechtsanwalt auch andere Gebühren aus Teil 1 VV RVG verdienen. Dies wird i. d. R. die Einigungsgebühr sein. Durch das KostRÄG 2021 wurde ausdrücklich in Teil 1, Vorbemerkung 1 VV RVG klargestellt, dass die Gebühren des Teil 1 VV RVG neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren oder einer Gebühr für die Beratung nach § 34 RVG entstehen. Damit wird aber auch klargestellt, dass dies nicht für Mediationen oder Gutachtenerstellungen gilt. Zu beachten ist, dass die Beratungsvergütung nach § 34 RVG nicht erhöhungsfähig nach Nr. 1008 VV RVG ist,1 denn in Nr. 1008 VV RVG ist lediglich die Erhöhung der Geschäfts- oder Verfahrensgebühr vorgesehen. 

 

Wenn nichts anderes mit dem Mandanten vereinbart ist, ist die Gebühr für die Beratung auf eine Gebühr für eine sonstige Tätigkeit, die mit der Beratung zusammenhängt, anzurechnen.

 

Tipp! In einer Gebührenvereinbarung könnte der Rechtsanwalt eine Anrechnung der Beratungsvergütung auf die Geschäftsgebühr oder auf die Verfahrensgebühr ausschließen.

 

Der Begriff "Verbraucher" ist also wichtig: Ein Verbraucher ist gem. § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, das weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Mit meinen Worten heißt das, wenn Sie für die Beratung eine Rechnung an einen Mandanten ausstellen, der diese Rechnung zum Zwecke des Vorsteuerabzugs beim Finanzamt geltend machen kann, hat er sich nicht über private Angelegenheiten beraten lassen, sondern über eine geschäftliche Frage. Aber z. B. auch Humanmediziner oder Versicherungsagenten sind ebenso Unternehmer, auch wenn sie die Rechnung nicht zum Zwecke des Vorsteuerabzuges geltend machen können, weil sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Aufpassen muss man, wenn sich ein Unternehmer beraten lässt. Es muss sich bei einem Unternehmer nicht immer ums Geschäft handeln. Auch ein Unternehmer kann sich scheiden lassen wollen und das ist eine Privatsache.

 

Zu den privaten Rechtsgeschäften i. S. des § 13 BGB (Verbraucher) gehören u. a. Urlaubs-, Freizeit- und Sportgeschäfte.

 

Beispiel: Jemand bucht einen Urlaub oder kauft eine Skikarte oder bucht eine Mitgliedschaft in einem Fitnessklub und es gibt Probleme.

 

Auch können andere Rechtsgeschäfte darunter fallen, wie z. B. private Versicherungsgeschäfte oder private Vorsorgeschäfte aber auch Geschäfte die eigene Gesundheit betreffend.2 Eine Ehescheidung oder Lebenspartnerschaftssache stellt ebenfalls ein Verbrauchsgeschäft dar. Auch Erbschaftssachen seien Verbrauchssachen, bei denen die Höchstberatungsgrenze von 190 EUR berücksichtigt werden muss.Arbeitssachen sind aber keine Verbrauchssachen.3

 

Auch der Begriff "Erstberatung" kommt in § 34 RVG vor: Es soll der Erstberatungsbereich verlassen sein, wenn der Anwalt den Mandanten umfassend berät. Auch eine Unterbrechung der Beratung, die später fortgesetzt wird, kann keine Erstberatung mehr sein.

 

Zusammengefasst heißt das:

  1. Der Rechtsanwalt kann für die Beratung gem. § 34 RVG eine Gebührenvereinbarung mit seinem Mandanten schließen, wenn er seine Gebühren frei gestalten und eine Anrechnung ausschließen möchte.
  2. Schließt er keine Gebührenvereinbarung, muss er nach den Gebühren des BGB abrechnen. Berät er einen Unternehmer in geschäftlicher Angelegenheit, muss er keine Beschränkungen beachten. Berät er jedoch einen Verbraucher, darf er für die erste Beratung nicht mehr als 190 EUR und für den gesamten Beratungsauftrag nicht mehr als 250 EUR abrechnen.
  3. Aber es ist hierbei egal, ob der Rechtsanwalt einen Unternehmer oder einen Verbraucher berät, die Beratungsgebühr muss gem. § 34 Abs. 2 RVG i. V. m. § 612 Abs. 2 BGB auf eine Gebühr, die später für eine mit der Beratungstätigkeit zusammenhängende Tätigkeit anfällt, angerechnet werden.
  4. Neben der Beratungsgebühr i. S. v. § 34 RVG können Gebühren aus Teil 1 VV RVG entstehen.

 

Die Praxis zeigt, dass einige Rechtsanwälte ihre Beratungsgebühren vereinbaren, die anderen wieder nicht. So erzählte mir eine Seminarteilnehmerin, dass ihr Chef niemals eine Vergütungsvereinbarung abschließen würde. Auf meine Frage hin, was sie denn machen würden, wenn der Mandant nichts bezahlt, antwortete sie, dass solche Akten dann weggelegt würden. Ihr Chef sieht das mit der Abrechnung der Akten nicht so genau. Und diese Kanzlei ist bei Weitem kein Einzelfall!

 

Was glauben Sie wie schnell es sich herumspricht, dass man beim Anwalt XY nichts bezahlen muss, weil der nach Rechnungsstellung und Mahnung die Akte einfach weglegt? Diese unbegründete Kulanz bringt nur negative Begleiterscheinungen mit sich.

 

Der Rechtsanwalt sollte zunächst einmal für sich klären,

  1. welche Summe er im Monat benötigt, um all seine Kosten zu decken und leben zu können oder
  2. welche Summe er im Monat benötigt, um alle Kosten zu decken, gut leben und etwas sparen zu können.

Letzteres ist schließlich Sinn und Zweck der Selbstständigkeit.
 

Je nachdem, was der Anwalt möchte und je nachdem, wie hoch seine Ansprüche an seinen Lebensstandard sind, muss er selbst entscheiden, wie er zukünftig abrechnet. Er muss dabei aber nicht gänzlich von vorne anfangen, denn schließlich hat er sich ja während der Gründung seiner Kanzlei ein umfassendes Konzept erarbeitet, wie viele Kosten für die Kanzlei im Monat zusammenkommen, wie viel er für sich selbst zum Leben benötigt, wie viele Einnahmen dem entgegenstehen müssen und wie er diese Einnahmen bestreiten möchte. Wenn er sich also dieses Konzept wieder vornimmt, kann er überprüfen, ob er all seine damaligen Vorstellungen eingehalten hat. Auch an seinem Konto kann er dies feststellen. Sind diese Zahlen dort eher negativ, kann es an der Zeit sein, die Gebühren für die Beratung (leicht) anzuheben und diesen neuen Spielraum auszunutzen. Ich werde darauf verzichten und möchte dies mir keinesfalls anmaßen, dem Rechtsanwalt eine Kosten-Nutzen-Analyse aufzuschreiben, d. h. welche Kosten er im Monat hat, welche Einnahmen er dafür braucht usw. Das kann ein Kanzleiexterner schließlich gar nicht. Sie selbst können am besten entscheiden, ob an Ihren Zahlen etwas geändert werden muss. Außerdem sind die Änderungen der Beratungsvergütung nicht so gravierend, wie das oft dargestellt wurde. Man musste ja glauben, dass der Rechtsanwalt sofort pleite ginge, nur weil er für den Beratungsauftrag ohne Vergütungsvereinbarung bei einem Verbraucher nicht mehr als 250 EUR abrechnen darf. Dabei ist es nicht die Mehrheit der Anwälte, die für die Beratung dem Verbrauchermandanten gegenüber stets mehr als 250 EUR abrechnen. Bei der Vielzahl der Anwälte geben es die Umstände gar nicht her, derartige Preise zu verlangen. Ein Rechtsanwalt, der erst zu Beginn seiner Karriere steht oder ein notleidender Anwalt, der froh ist, dass überhaupt ein Mandant kommt oder ein Anwalt in ländlicher oder ärmlicher Gegend wird sich hüten, seine Mandanten mit derartigen Preisen zu vergraulen. Und trotzdem sollte sich jeder Rechtsanwalt jetzt Gedanken machen, ob er diese großzügige Regelung der Vergütungsvereinbarung nicht übernehmen und auch für andere Tätigkeiten einführen sollte. Früher oder später nämlich wird er sich den Vergütungsvereinbarungen fügen müssen, da sich auch Deutschland an die Brüsseler Vorgaben halten und irgendwann die "vorgefertigten" Gebührentabellen abschaffen muss.
 

 

» Rechtsprechung dazu:

1BT-Drucksache 19/23484 vom 19.10.2020, S. 81
2AGS 6/2004 S. 230; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. § 13, Rn 3
3OLG Hamm, Urteil vom 3.8.2004, AZ: 4 U 94/04
AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 22.7.2005, AZ: 912 C 256/05